Montag, 18. März 2013

So unendlich dankbar.

Guten Morgen, Ihr Lieben,

wenn Ihr diesen Post lest, werde ich wahrscheinlich schon auf dem Weg ins UKD sein oder wie eine Irre durch's Haus laufen und die restlichen Sachen zusammensuchen, wegräumen etc. bevor mich mein herzallerliebster Schwiegerpapa an seinem 74. Geburtstag die gut 50 km bis dorthin fährt. Helge hat unverschiebbare Termine, deshalb kann er mich leider nicht bringen. Mir graut's schon, ihn, die Kinder und meine Schoko-Labbine sozusagen am Auto auf dem Weg zur Schule/Kindergarten/Arbeit/Hundesitter verabschieden zu müssen.

Andererseits: als ich letztes Mal (am 23.Januar) gegen 19.30 h von Helge ins St. Josef Krankenhaus hier in Moers gefahren wurde ... das war schlimmer. Meine Hausärztin rief mich gegen 18.30 h an. Bei mir schrillten alle Alarmglocken. Anruf am Mittwochabend nachdem morgens Blut abgenommen wurde. Sie sagte nur: "Fahren Sie sofort ins Krankenhaus, Ihre Blutwerte sind alamierend. Ihr HB liegt nur noch bei 5,6 (Normwerte: 11-15). Ich weiss nicht, wie Sie es bis hierhin geschafft haben. Dass Sie noch auf zwei Beinen stehen grenzt an ein Wunder."

Ohne Näheres zu wissen, habe ich meine Nachbarin aktiviert (Du musst auf die Kinder aufpassen) und Helge angerufen (Komm nach Hause, ich muss ins Krankenhaus). Ich hatte Todesangst. Seit Anfang Januar wusste ich, irgendetwas läuft ganz schön schief in meinem Körper (zunehmende Abgeschlagenheit, Atemnot, Nachtschweiss, permanente Anzeichen eines grippalen Infektes, Zahnfleischentzündung & -bluten).

Ich kenne die Anzeichen einer Leukämie. Mein Vater wurde im Februar 2002 mit Akuter Myeloischer Leukämie diagnostiziert. Seine Unterart war jedoch eine andere, die nicht so gut behandelbar ist wie meine. Er war rund 20 Jahre älter als ich. Hatte bereits einen Herzinfarkt hinter sich. Und: es sind 11 Jahre Forschung & Entwicklung seit dem betrieben worden. Nein. Er hat es nicht geschafft. Er verstarb am 2. Oktober 2002. Einen Tag vor Mutti's 59. Geburtstag.

Sie hat ihn 9 Monate überlebt, starb diagnostisch an einem Hirnschlag & wurde nach 3 Tagen von lebenserhaltenden Maßnahmen abgeschaltet. Die wirkliche Ursache war ihr gebrochenes Herz. Sie wollte ohne meinen Vater nicht weiterleben.

Jedenfalls befürchtete ich bereits eine entsprechende Diagnose. Helge sagte immer wieder "Geh endlich zum Arzt!" Aber ich hatte ja soviele "wichtige" Dinge zu erledigen ....

An DIESEM Abend bin ich mit fliegenden Fahnen von zu Hause weggefahren. Ich erinnere mich, wie ich meine Kinder geherzt habe und ihnen mit Tränen in den Augen immer wieder gesagt habe "Mami liebt Euch. Alles wird gut. Ich komme wieder. Und egal, was passiert, vergesst nie: Mami ist immer stolz auf Euch und liebt Euch, weil Ihr die besten Kinder auf der Welt seid."

In der Notaufnahme musste ich mich in einen Rollstuhl setzen. Nichts ging mehr. Ich habe angefangen, loszulassen, meine pysische wie psychische Schwäche mir selbst und meinem Umfeld einzugestehen. "Helge, ich kann nicht mehr. Ich brauche Hilfe. Ich habe Angst. Ich will nicht sterben. Noch nicht. Es ist zu früh für mich zu gehen. Lieber Gott ......  ."

Es grenzt an ein Wunder, dass ich es bis dahin geschafft habe. Meine Blutwerte waren mehr als alarmierend. Ein HB von 5,6 (Norm: 11-15), Leukozyten bei 2.600 (Norm: 4.000-11.000), Thrombozyten bei 11.000 (Norm: 150.000 - 400.000), Blasten im Knochenmark: 90%.  Für die ohne medizinische Vorkenntnisse: Ich war mehr tot als lebendig, ich bin nicht 5 Minuten vor 12 ins Krankenhaus gefahren. Die Glocke hatte bereits angefangen zu schlagen. Wäre ich ohnmächtig geworden, gefallen, mit dem Kopf irgendwo gegengeschlagen. Ich wäre nicht mehr zu retten gewesen.

♥♥♥♥♥♥♥ Danke, lieber Gott, danke, liebe Schutzengel, dass Ihr immer ein Auge auf mich habt. Mein ganzes Leben schon. Danke an meinen Körper, der verdammt viel einstecken musste und kann & mich durch diese Krankheit & die Chemos trägt. Danke, danke, danke! ♥♥♥♥♥♥♥

Und jetzt?! Seht mich an! Um es mit den Worten von Prof. Dr. Haas bei meiner Entlassung auf Heimaturlaub zu sagen: Wie Phoenix aus der Asche!

Als ich Freitag zur Knochmarkpunktion im UKD war, musste vor dem Eingriff ein kleines Blutbild gemacht werden & ein paar Werte aus dem Großen wurden ebenfalls abgefragt.

Stellt Euch jetzt bitte in Ermangelung eines Fotos von mir bei Bekanntgabe der Werte durch Frau Dr. Neukirchen ein "GRINSENDES HONIGKUCHENPFERD" vor. Frau Doktor hat auch gelächelt :-)

ALLE relevanten Werte im NORMBEREICH! Mein Knochenmark hat in den zwei Wochen Urlaub zu Hause richtig Gas gegeben! Sogar die Lymphozyten (bei Erstdiagnose im hohen 80% Bereich) sind im Normbereich. Ein wichtiger Indikator!

Ich bin glücklich & so unendlich dankbar ..... Ich hoffe, die Ergebnisse der KM-Punktion sind genauso überwältigend. Ich hoffe, die erste Chemo hat mindestens ein kleines Wunder vollbracht.

*** Fast Forward ***

Die letzten zwei Wochen waren ein Traum. Wir brauchten unsere Zeit, um als 4er-Gespann (eigentlich ja 5-er Gespann, unsere Schokolabbine ist auch traumatisiert) wieder "zu funktionieren". Besonders Andor hat sich schwer getan, meine plötzliche Anwesenheit zu realisieren. Er trägt schwer daran. Ist sehr sensibel und versteht mit seinen 7 Jahren mehr als mir/uns lieb ist.

Und jetzt bin ich wieder weg. Aber nicht so lange wie beim ersten Mal, da die diagnostische Vorlaufzeit von knapp 2 Wochen jetzt entfällt. Es kann direkt mit der Therapie gestartet werden.

Die Kinder wurden seit Freitag immer trauriger, wenn sie in den Familienkalender schauten & bei Montag "Mama zurück in die Klinik" lasen. Helge und ich sind traurig, wenn wir daran denken, dass wir jetzt erstmal wieder für wahrscheinlich 4 Wochen abends nicht nebeneinander einschlafen werden.

Aber die gemeinsame Zeit hat allen gut getan. Wir sind dankbar für jede Minute, die wir gemeinsam verbringen durften. Wir haben Kraft getankt. Für die Zeit, die jetzt vor uns liegt. Bis zum nächsten Heimaturlaub.

Hier noch ein paar festgehaltene Impressionen dieser unvergesslichen Zeit. Inklusive der Fotocollage: Familien-Friseur-Tag --- Ihr wundert Euch über mein Foto? Meine herzallerliebste türkische Friseurmeisterin Özlem hat mir einen Messerschnitt verpasst: Die Glatze ist jetzt glatt wie ein Babypopo!











SO!

Ich wünsche Euch, uns allen, eine schöne, erfolgreiche und glückliche Woche mit vielen grandiosen Ereignissen .... Den nächsten Live-Post gibt es direkt aus dem UKD!

LIVE ♥ LAUGH ♥ LOVE ♥ every single day in your life!

XOX

Simoné

PS: Nein, ich habe mein Versprechen einer "www-freie-Zeit am Wochende" nicht gebrochen. Diesen Post habe ich verfasst, während die Familie noch schlief bzw. zum Wachwerden mit Kakao auf dem Sofa saß. Aber gerade kam der Ruf unserer Tochter "Mama, ich will mit Dir Kuscheln!" Ich MUSS also jetzt Schluss machen ;-)







5 Kommentare:

  1. Ich drück' dir fest die Daumen, wenn es jemand schafft, dann du, denn das Schlimmste hast du ja bereits hinter dir.
    Dann geht es wieder langsam bergauf und im nächsten Jahr beim CAR können wir uns dann kennenlernen.
    Liebe Grüße von
    Stine

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  2. Liebe Simoné, ich drück dich ganz fest und bewundere deine Stärke! Du wirst alles schaffen, da bin ich mir sicher. Ich habe einen Kloß im Hals, wenn ich deine Zeilen lese, aber es steckt eben auch so viel Optimismus darin. Es ist wunderbar, wie deine Familie dich trägt. Behalte deinen Lebensmut! Ich denke viel an dich! Anja

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  3. Du bist einfach nur klasse, Simoné!!! Mit so viel Optimismus schaffst Du es ganz sicher!

    Ich denke auch viel an Dich,

    viele Grüße,

    Elvan :-)

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  4. Hallo Simoné, ich habe gerade Deinen Post gelesen. Das ist echt ein Zufall, ich hatte gerade heute meine jährliche CT-Nachsorge, ist jetzt schon 4,5 Jahre her. Die sind mit der Chemo heute sehr weit, das wird schon gutgehen. Ich wünsche Dir jedenfalls noch ein langes glückliches Leben. Viele Grüße
    Stephan

    PS: Dir steht die Glatze überigens viel besser als mir ;-)

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  5. Die "Antwort"-Funktion tut's gerade nicht, deshalb eine "Sammelantwort" an Euch Vier :-) .... Vielen lieben Dank für Eure Worte.

    Stephan: Dir wünsche ich alles Gute, auf dass die CTs immer "o.B." seien!

    Elvan & Anja: ♥♥♥! Ihr seid so süss!

    Stine: Ich hab die 1. Chemo hinter mir, ja. Die 2. läuft, es kommen, wenn alles gut geht noch zwei weitere (eine vor der Stammzellentransplantation, eine danach). Wird bis Ende Chemo Nr. 2 kein Stammzellenspender gefunden, folgen 3 weitere High-Dose-Chemos. Es sei denn, es wird zwischendrin ein Spender gefunden. *** Ich habe also erst einen kleinen Teil des Weges hinter mir, ob das der Schlimmste war, bleibt abzuwarten. Soviel nur zum Ablauf ;-) *** Ich danke Dir von ♥, dass Du an mich denkst!

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